Einleitung
Die Burg Reinsberg – der Vorläufer des heutigen Schlosses – wurde in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts im Rahmen der Kolonisierung der Mark Meißen von der Familie Reinsberg errichtet und 1411 von Caspar von Schönberg erworben. Mehr als 500 Jahre, insgesamt 14 Generationen, blieb sie bis zur Enteignung 1945 im Besitz der Familie. Wie viele ältere Herrensitze wurde die Burg im Laufe der Zeit zerstört, wiederaufgebaut, vergrößert, verschönert und modernisiert. So wandelte sich das Gebäudeensemble allmählich im 17. und 18. Jahrhundert in ein Schloss, das primär nicht mehr Verteidigungs- sondern Wohnzwecken diente. Nach dem 2. Weltkrieg und der Gründung der DDR wurde das Schloss als Ferienheim des VEB Gaskombinats Schwarze Pumpe erneut erweitert.
Es freut mich sehr, dass ich als direkter Nachfahre des letzten Schönberg-Besitzers Wolf Erich den Lesern im Rahmen des Tages des offenen Denkmals 2023 in Reinsberg mit diesem Bericht einen kurzen Überblick über die Geschichte und den Bau der Burg und Schloss Reinsberg geben kann.
Entstehung und Geschichte bis 1945
Das Schloss ist aus einer alten Burg hervorgegangen, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von der Familie Reginsburg oder Regensperg (später Reinsberg) im Zusammenhang mit der Besiedlung der Mark Meißen gegründet wurde. Die Familie von Reinsberg blieb bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts auf ihrem Stammsitz. Bereits 1377 und 1390 hatten Caspar von Schönberg und sein Bruder Hencel Ländereien in Reinsberg und Dittmannsdorf erworben. 1411 verkaufte Hans von Reinsberg die Burg an Caspar von Schönberg, die dann über 500 Jahre im Besitz der Familie bleiben sollte.
Im April 1547 soll Kaiser Karl V einige Tage in der Burg Reinsberg Quartier genommen haben bevor er bei Meißen die Elbe überschritt auf dem Wege zur Schlacht von Mühlberg. Die Abbildungen im Sandsteinrelief über dem Eingangstor sollen ihn und seine Schwester Maria von Ungarn darstellen.
Im 30-jährigen Krieg wurde 1642 die Burg von kaiserlichen Truppen belagert, gestürmt und erheblich zerstört. Der damalige Besitzer Lorenz wurde von kroatischen Soldaten auf der Flucht erschossen. Später wurde ein Gedenkstein, der bis heute an den Tod Lorenz erinnert, an der Grabentour in der Nähe des Schlosses errichtet. Bis 1648 erfolgte der Wiederaufbau. Im 17. und 18. Jahrhundert folgten weitere Erneuerungen und die Burg bekam Züge eines Schlosses. Bis heute ist es schwierig den richtigen Begriff für das Gebäudeensemble zu finden, das verschiedentlich als ‚burgähnliches Schloss‘ oder ‚wehrhaftes Schloss‘ bezeichnet wird.
Bereits im 16. Jahrhundert kam es zu einer Teilung der Güter in Reinsberg, die bis 1945 andauern sollte. 1572 teilten die Brüder Lorenz (1535 – 1588) und Haubold (gest. 1588) den Besitz in Nieder- und Oberreinsberg auf. Lorenz wurde 1577 vom Kurfürst August von Sachsen zum Hauptmann des Erzgebirges und Berghauptmann ernannt, 1584 avancierte er zum Leiter des Oberbergamtes in Freiberg. Zwei Generationen später konnte Georg Rudolf (1607 – 1654) Ober- und Niederreinsberg wieder vereinen, doch kam es unter den Söhnen Adolf Ferdinands (1685 – 1758) erneut zu einer Teilung. Christian Ferdinand begründete die Linie Oberreinsberg, Alexander Christoph die Linie Niederreinsberg und Rudolf Gottlob die Linie Tanneberg. Anfangs wohnten die beiden Linien Ober- und Niederreinsberg gemeinsam im Schloss, die mit zwei getrennten Brückeneingängen versehen wurde. Diese heute noch bestehenden Brücken befinden sich an der Ost- und Nordseite des Schlosses.
Nachdem die Niederreinsberger ein eigenes Rittergut mit Herrenhaus errichtet hatten, wurde die Zweiteilung des Schlosses 1816 wieder aufgehoben.
1922 übernahm Wolf Erich von Schönberg, der im gleichen Jahr Auguste Senfft von Pilsach (1897 – 1989) heiratete, das Schloss und den Betrieb. Er war ein anerkannter und innovativer Landwirt, der den Betrieb zunehmend mechanisierte und eine Schweinezucht aufbaute. Zudem beriet er andere Betriebe in Sachsen und saß in den Aufsichtsgremien der Döbelner Zuckerfabrik und der Molkerei in Mohorn, wo er die Einführung der ersten deutschen Camembertproduktion mitverantwortet haben soll. Am 5. Mai 1945 floh Wolf Erich mit seiner Frau und den fünf Kindern vor der anrückenden Sowjetarmee. Zwei Monate später kamen sie bei Verwandten in Bayern an. Im Herbst wurde dann formal die entschädigungslose Enteignung aller Betriebe über 100 ha im Rahmen der Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform der Landesverwaltung Sachsen beschlossen.
Chronologie der Besitzer des Schlosses aus der Familie von Schönberg
Bei den Geburts- und Todesangaben der ersten fünf Genannten handelt es sich um ungefähre Daten.
Nach 1945
In Folge der kommunistischen Bodenreform wurde das Schloss bis 1952 als Parteischule genutzt, zuerst von der SPD und anschließend – nach der Vereinigung mit der KPD – von der SED. 1953 wurde es in ein Ferienheim des Betriebs ‚Vieh- und Schlachthöfe Berlin‘ umgewidmet. Von 1958 bis 1989 übernahm das VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe das Ferienheim, in dem sich jährlich bis zu 2.000 Kumpel aus der Lausitz, aber auch aus der UdSSR, Ungarn und der CSSR in Reinsberg erholten. Nach der Wende wurde das Schloss als Hotel umfunktioniert. Zu dieser Zeit bemühte sich Witold von Schönberg als Erbe des letzten Eigentümers um eine Rückgabe. Diese Bemühungen wurden durch die Politik der Regierung Kohl und der Karlsruher und Straßburger Bodenreformurteile zu Nichte gemacht. Anschließend blieb das Schloss trotz der Veräußerung an diverse private Investoren viele Jahre unbewohnt. Als es 2021 zum wiederholten Mal zum Kauf angeboten wurde, übte die Gemeinde Reinsberg ihr Vorkaufsrecht aus, um eine Veräußerung an Mitglieder der sog. ‚Identitäre Bewegung‘ zu verhindern. Im gleichen Jahr konnte die Gemeinde das Schloss an Frau Mathilda Huss aus Potsdam veräußern.
Baubeschreibung
Das Schloss steht auf einer imposanten Anhöhe oberhalb der Bobritzsch, ein Nebenfluss der Freiberger Mulde. Süd-, West- und Nordteil sind von einem tiefen Burggraben umgeben, obwohl der südliche Teil im Rahmen des Anbaus der Schwarzen Pumpe teilweise aufgefüllt wurde. Das heutige Gebäudeensemble verjüngt sich auf einem ungleichmäßigen Grundriss von Ost nach West.
Grundriss des Erdgeschosses vor dem Anbau am Südflügel durch das Gaskombinat Schwarze Pumpe in den 1970er Jahren. Quelle: Schlösser und Herrenhäuser: besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (1994), Sächsisches Staatsministerium des Inneren, Dresden.
Über den Burgraben führen zwei Brücken in das Innere des Schlosses. Die zweibogige Hauptbrücke mit Sandsteinbrüstung an der Ostseite führt zu einem mächtigen Rundturm mit einem schönen Kegeldach, der den zum Gutshof gerichtete Ostteil des Schlosses dominiert. Durch das Renaissanceportal mit zwei kandelaberartigen Halbsäulen, die ein gekröpftes Gesims tragen sowie zwei von Blattwerk umkränzte Porträtmedaillons, die womöglich Kaiser Karl V und seine Schwester Maria von Ungarn zeigen, erreicht man die rippengewölbte Eingangshalle, von der man in den Schlosshof mit einem Brunnen in der Mitte treten kann. In der linken Ecke der Eingangshalle geht es zu einer Wendeltreppe, die zur Diele im 1. Obergeschoß und weiter zum 2. Obergeschoß führt.
Eingangshalle, Aufnahme Arnold Photo für VEB Kombinat Schwarze Pumpe
Von dem Hof ging früher an der linken Seite der Küchentrakt ab. Im Ostflügel direkt neben dem Rundturm befindet sich im Erdgeschoß die ehemalige Schlosskapelle, die in den 1920iger Jahren zu Büroräumen für die Gutsverwaltung umfunktioniert wurde. Die spätgotische Kapelle besitzt ein tief herabgezogenes Netzgewölbe, wobei ein Schlussstein das Schönbergsche Familienwappen zeigt. Hinter der zum Burggraben gerichteten Terrasse erhebt sich ein hoher Giebel. Er ist mit einer Pfeilergliederung versehen und begrenzt den in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbauten Nordflügel. Erschlossen wird dieser Flügel durch einen achtseitigen frühbarocken Treppenturm auf der Hofseite. Die Eingangstür aus Eiche (um 1670) ist mit lebhaften Löwenköpfen und weiteren geschnitzten Ornamenten geschmückt. Der steil nach unten fallende und schlichte Westflügel stammt im Kern aus dem 16. Jahrhundert. An der Südseite sind vier Aborterker zu sehen. 1824 erweiterte man die Schlossanlage um den eher nüchternen Südflügel.
Blicke auf das Schloss Ende der 1930iger Jahren: Das Bild links zeigt die Südansicht mit Zwiebelturm und dem davor liegenden Rosengarten, mittig ist die Hauptbrücke mit Eingangsportal im Turm zu sehen, das Bild auf der rechten Seite zeigt die Ostseite mit Turm vom Garten. Quelle: Archiv Christian von Schoenberg
Im ersten Stock befinden sich die Wohnräume. Über die bereits erwähnte Wendeltreppe, die von der Eingangshalle zu erreichen ist, gelangt man über eine Diele zu den Wohn-, Ess- und Schlafzimmern. Bis 1945 war eine Anrichte mit mechanischem Aufzug mit der darunterliegenden Küche verbunden. Auch die Holzkohleheizung war im 1. Stock und nicht im Erdgeschoß installiert. Zudem befanden sich hier Arbeits- bzw. Lesezimmer und eine Garderobe. Im zweiten Stock befanden sich weitere Schlafzimmer, das Dachgeschoss hingegen wurde nicht für Wohnzwecke genutzt.
Wohn- und Esszimmer im 1. Obergeschoss, Aufnahmen aus den 1940er Jahren. Quelle: Archiv Christian von Schönberg
Der letzte Besitzer vor 1945 Wolf Erich von Schönberg plante, das Schloss nach einem Entwurf der Dresdner Architekten Lossow & Kühne umzubauen. Unter anderem war vorgesehen, einen privaten Eingang über einer Reaktivierung des 2. unteren Brückenzugangs zu schaffen. Zu dieser Zeit befanden sich im hinteren Westteil des Schlosses Lehrlings- und Angestelltenzimmer. Diese Räume waren nicht zentral beheizt.
In den 70er Jahren wurde das Schloss vom VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe gründlich überholt, um Platz für 120 Betten zu schaffen. Im neuen Anbau des Südflügels, dem der sehr schöne frühere Rosengarten weichen musste, wurde u.a. ein Küchentrakt geschaffen. Es sollen 2,6 Millionen Mark investiert worden sein. Leider ist der Innenhof durch den Anbau sehr verdunkelt. Noch kurz vor der Wiedervereinigung wurde im Turmkeller ein Schwimmbad eingebaut.
Anmerkung: Die Ausführungen in diesem Abschnitt zur Baubeschreibung stammen im Wesentlichen aus Berichten in ‚Schlösser um Meißen, Oschatz und Döbeln‘ von Dr. Matthias Donath und ‚Schlösser und Herrenhäuser: besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen‘ vom Sächsischen Staatsministerium des Inneren. Die Beschreibung der Innenbereiche vor 1945 habe ich Christian von Schönberg und Margot von Oheimb, geb. von Schönberg, zu verdanken. Siehe hierzu auch die Quellenangaben am Ende dieses Berichtes.
Schloss Reinsberg und die Kunst
Der bekannte Porträt-, Tier- und Landschaftsmaler Ferdinand von Rayski (1806 – 1890) hatte enge Verbindungen zur Familie und war mit dem Afrika- und Indienreisenden Erich von Schönberg eng befreundet. Erich wurde öfters porträtiert – auf der Löwenjagd, als Afrikareisender oder als Raucher mit Pferd in Herzogswalde, seinem 12 km von Reinsberg entfernten Wohnsitz. Auch seine aus England stammende zweite Frau Christina Fiennes-Lumley wurde von Rayski abgebildet. In Reinsberg porträtierte Rayski Erichs Bruder Oswald und seine Frau Ida von Nostitz-Wallwitz. Zudem schuf er sehr schöne Skizzen und ein Gemälde von Schloss Reinsberg in Abendbeleuchtung.
Schloss Reinsberg, Blei- und Wasserfarben auf Papier, Ferdinand von Rayski, ca. 1848/50.
Otto Altenkirch (1875 – 1945), der im Stil des Impressionismus sehr schöne Landschaftsbilder schuf und die letzten 25 Jahre seines Lebens in Siebenlehn wohnte und arbeitete, hat ebenfalls Schloss Reinsberg gemalt. Der Maler und Lithograf Rudolf Thienhaus aus Nordrhein-Westfalen (1873 – 1962) hat 1933 auf einer Lithographie das Schloss von westlicher Richtung dargestellt.
Quellen:
Donath, Dr. Matthias (2015), Schlösser um Meißen, Oschatz und Döbeln, edition Sächsische Zeitung, Dresden
Donath, Dr. Matthias (2014), Rotgrüne Löwen, Die Familie von Schönberg in Sachsen, Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland mbH, Meißen
Gemeinde Reinsberg (1997), Historisches aus 8 Jahrhunderten, Festschrift, Reinsberg
Sächsisches Staatsministerium des Inneren (1994), Schlösser und Herrenhäuser: besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen, Dresden
von Schönberg, Wolf Erich (undatiert, 1980iger Jahre), Grabendenkmäler und Geschichte der Burg Reinsberg, Gmund/Tegernsee. Wolf Erich besuchte zu DDR-Zeiten sieben Mal Reinsberg.
von Schönberg, Rüdiger (1975), Ein Streifzug durch die Geschichte der Familie von Schönberg, Festvortrag
Walter, Maräuschlein (1943), Ferdinand von Rayski, Sein Leben und sein Werk, Verhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig
Fraustadt, Albert (1878), Geschichte des Geschlechtes von Schönberg meissnischen Stammes, Verlag Giesecke & Devrient, Leipzig
Personen-Datenbank der Familie von Schönberg, http://vonschoenberg.org/gen/index.php, letzter Zugriff 23.02.2023
Der Autor bedankt sich bei Christian von Schönberg und Margot von Oheimb, geb. von Schönberg, für ihre Erinnerungen und Fotos – beide haben Ihre Kindheit bis 1945 als Nachkommen des letzten Besitzers Wolf Erich in Reinsberg verbracht.
Dieser Bericht wurde im Heft „Denkmale in Mittelsachsen, Geschichte und Gegenwart von Reinsberg“ veröffentlicht, das zum Tag des offenen Denkmals 2023 in Reinsberg am 10.09.2023 erschien. Herausgeber war das Landratsamt Mittelsachsen. Ich habe den veröffentlichten Bericht mit einigen zusätzlichen Abbildungen angereichert.
Andreas von Schönberg, Berlin, September 2023